Buchbesprechung: Melisa Schwermer: So bitter die Schuld


So bitter die Schuld  von Melisa Schwermer ist – sowohl im direkten Vergleich zu all ihren vorherigen Veröffentlichungen als auch im Hinblick auf andere Büchern aus diesem Genre – ein weiterer Schritt nach vorn bei Melisas Professionalisierung als Autorin und Self Publisherin

So bitter die Schuld – ein echter Bestseller

Mit Veröffentlichung ihres neuesten Romans So bitter die Schuld hat die Self Publisher-Autorin Melisa Schermwer ihren Bekanntheitsgrad (und wohl auch ihren Marktwert) erheblich gesteigert. Denn seit mittlerweile fast zwei Wochen steht sie mit ihrem Thriller auf Platz Eins bei den Kindle Charts („Bestseller in Kindle Shop„) und belegt bei der aktuellen BILD-Belletristik-Bestsellerliste (Zungenbrecher) Rang Zwei..

Mit durchschnittlichen 5 von 5 Sternen aus 53 Nutzerbewertungen bei Amazon (Stand: 17.09.2016) liegt die Erwartungshaltung an den neuen Schwermer ziemlich hoch. Schaut man sich einige der Meinungen an, so wird die Autorin mit Lob regelrecht überhäuft.
Gut, dass ich das Schaffen von Melisa bereits seit einiger Zeit verfolge und mir zeitig ein signiertes Printexemplar gesichert und dieses auch gelesen habe, bevor So bitter die Schuld so derbe durch die Decke ging.
Ich denke also, mir eine einigermaßen objektive und unabhängige Meinung bilden zu können.

Melisa Schwermer - So bitter die Schuld (Cover und Postkarte)

Mordmerkmale a. k. a. Umschlag und Haptik

Der Roman So bitter die Schuld wird als „Thriller“ untertitelt. Und das Cover von der Zero Werbeagentur sieht auch genauso aus, wie man sich das von einem Buch aus diesem Genre vorstellt/wünscht:
eine fetzige Font mit ausladend großen Lettern sowie ein Motiv, das einerseits (inhaltlich) recht einfach gehalten ist, dafür aber umso mehr Fragen aufruft, die man als Leser schnellstmöglich geklärt haben möchte. Der Umschlag steht denen von Veröffentlichungen in großen Publikumsverlagen in Nichts nach. Mir persönlich gefällt sehr gut, was ich da sehe, und auch handwerklich gibt es am Design nichts zu meckern. Ein professionelles Thriller-Cover!

Das Taschenbuch kommt direkt von Amazon (Create Space) und ich muss ehrlich zugeben, dass die Qualität absolut in Ordnung geht. Meine übliche Teststrecke überstand das Buch problem- und vor allem schadlos. Besonders im Sommer teste ich ausgiebig, zum Beispiel auf dem Rücken lesend mit dem Buch als Sonnenschutz. Der Leim hielt 🙂

Modus Operandi a. k. a. die Umsetzung

Laut Melisas Aussage in einem Vlog-Beitrag (den Link zum Video findet ihr unten in der kleinen Linksliste) schwelte die Geschichte um den Polizeiermittler Fabian, Waisenkind Josi und einen grausamen Mord, dessen Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen, seit fast zwölf Jahren im Hinterstübchen der Autorin.
Das erste Textfragment umfasste bereits 70 Seiten, ehe die Autorin es beiseite legte, es jedoch nie vergessen konnte. Doch es dauerte über eine Dekade und erst im vergangenen Jahr zauberte Melisa das Herzensprojekt, das sie nie weiterführen konnte/wollte aus einer Schublade hervor, überarbeitete die bestehenden Kapitel, sponn die Story weiter und gönnte dem Manuskript schließlich ein Ende, so wie sie es sich vielleicht immer erträumt hat.
Wenn ein Roman eine solche Geschichte in sich trägt – das fetzt doch derbe, oder?

Und man merkt den Zeilen zu jeder Sekunde an, dass da jede Menge Herzblut drin steckt. Wie bereits gesagt, verfolge ich das Schaffen von Melisa seit einigen Jahren, hatte sie lange auf meiner Beobachtungsliste, ehe ich sie 2015 anfragte, Teil der Mängelexemplare (meine Anthologiereihe) zu werden.
Denn ich mochte die Romane, die ich von ihr gelesen hatte. Zwar waren diese häufig recht fehlerbehaftet (unzureichendes Lektorat), die Story teilweise ein wenig dünn und mit klaffenden Logiklöcher – aber die Umsetzung des angepackten Themas war stets innovativ und spannend. Und Melisa Schwermers Charaktere waren jeweils Originale und echt lebendig. Für einen Gefühlsleser wie mich besonders wichtig.
Außerdem konnte man in jedem Buch eine Weiterentwicklung der Autorin erkennen. Das ist toll, wenn man als Leser quasi gemeinsam mit der Autorin die Leiter erklimmen kann. Das lässt sich auch hier beobachten, dazu mehr im Fazit.

Die Story um das düstere Geheimnis aus einem Kinderheim, dessen Anwohner noch heute, im Erwachsenenalter, an den Folgen zu leiden haben, ist – wenn man ehrlich ist – nichts ganz Neues. Aber wenn die Protagonisten eines Romans von den Dämonen ihrer Vergangenheit eingeholt werden, verspricht das zumeist eine mitreißende Geschichte.
Und Melisa Schwermer liefert! Denn obwohl sich der Leser recht schnell einen Großteil der Hintergründe zusammenreimen kann (das ist auch gewollt, denn die Beweggründe der Antagonisten werden ebenso beleuchtet wie die der Protagonisten), so muss man sich doch bis zum Schluss von So bitter die Schuld gedulden, ehe alle Fragen geklärt werden. Auf dem Weg dahin gibt es die ein oder andere Wendung, die das Offensichtliche auf den Kopf zu stellen versucht. Die Spannung bleibt bis zur letzten Seite hoch.

In So bitter die Schuld gibt es mehr oder weniger drei große Handlungsstränge, die sich kapitelweise abwechseln und teilweise geschickt in die Vergangenheit führen, um die Geschichte vorantreiben. Dabei erleben wir wir unter anderem auch die Ermittlungsarbeit der Polizei hautnah mit. Die würde ich gern hervorheben, denn hier hatte ich das Gefühl, dass die Autorin sehr gut recherchiert hat, was sich auf Nachfrage bei ihr (ich bin ja sehr wissbegierig :-)) auch bestätigte. Eigentlich ein Muss, bei so vielen anderen Indie-Veröffentlichungen mit teils hanebüchenen Abläufen jedoch nicht selbstverständlich.
Ich habe mich tatsächlich nicht wie in einer schlechten Crime-Soap im Privaten Fernsehen gefühlt. Gute Arbeit, Frau Schwermer!

Die Charaktere werden von Melisa sehr lebendig inszeniert, agieren glaubhaft in ihren verschiedenen sozialen Kreisen, sind mal recht energisch, mal zurückhaltend, vertrauen auf ihre Instinkte und widern zum Teil durch ihre abstoßende, unsympathische Art an, wenn sie zur Riege der Fiesewichte gehören. Insgesamt funktionieren sie im Gesamtkontext der Handlung sehr gut und fügen sich nahtlos in diese ein. Die ein oder andere Person könnte ein bisschen weniger klischeebeladen sein, aber Melisa schreibt ja auch Thriller und keine Gesellschaftsromane.

Das führt mich zum einzigen (kleineren) Problem, das ich mit dem Buch hatte: Alle Charaktere fügen sich gut ein, die Handlung wird stets durch Entdeckungen, gut geschriebene Dialoge und, wenn nötig, durch den Zufall weitergeführt. Die beiden Ermittler ermitteln fleißig was das Zeug hält, ohne dabei wirklich bahnbrechende Ergebnisse zu erzielen. Die streiten sich, trinken zusammen Bier, lernen scheinbar zufällig neue Leite kennen, dem Fall können sie keine entscheidende Wendung verleihen. Josi wühlt im Sumpf ihrer Vergangenheit, stößt jedoch immer wieder an unüberwindbare Grenzen, kurz bevor der Durchbruch erzielt werden kann.
Irgendwann laufen dann alle Stränge zusammen.

Für einen Thriller gibt es meines Erachtens zu wenige Wendungen, nicht genügend Red Herrings und einen Müh zu wenig Thrill Für einen Krimi kommt der Kriminalarbeit ein zu geringer Stellenwert bei, denn die Ermittlungen tragen wenig zur Auflösung des Falls bei, hier ist für mich noch vieles zu schicksalhaft.
Für mich der einzige Wermutstropfen, unter dem die Spannung aber kaum leidet. Dennoch hätte ich gern ein wenig mehr mitgerätselt oder wäre noch öfter hinter das Licht geführt worden. Für den geübten Leser ist es darüber hinaus nicht extrem schwer zu erkennen, mit welcher großen Finte die Autorin im großen Finale aufwarten wird.

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil a. k. a. das Fazit

So bitter die Schuld  von Melisa Schwermer ist – sowohl im direkten Vergleich zu all ihren vorherigen Veröffentlichungen als auch im Hinblick auf andere Büchern aus diesem Genre – ein weiterer Schritt nach vorn bei Melisas Professionalisierung als Autorin und Self Publisherin,  denn …

  • … bereits der Umschlag weiß zu überzeugen (siehe oben), hält die genretypischen Standards großer Verlage und kommt sehr professionell daher
  • … das Grundsetting ist vielleicht nicht neu, dafür aber super spannend umgesetzt. Die Schatten der Vergangenheit. Das rockt und geht immer, wenn man die Klaviatur beherrscht – wie Melisa
  • … eine kluge Kapiteleinteilung verknüpft die drei Sub-Hauptstränge gekonnt miteinander und hält die Spannung bis zum Schluss hoch und reizt das Grundthema gut aus
  • Melissa verfügt über eine sehr flüssige Schreibe, legt ein gutes Tempo vor, schafft authentische Charaktere mit guten Nebenszenen, die ihre Entwicklung vorantreiben (z. B. Familienbesuch von Fabian), und „baut“ sehr gute Dialogszenen
  • … das Lektorat/Korrektorat ist spitze! Litten frühere Veröffentlichungen der Autorin noch unter einer suboptimalen Überarbeitung, so gibt es hier nichts zu meckern. Ein Chapeau! an das dreiköpfige Team, das Melisa da beiseite stand. Und Glückwunsch an die Autorin, die die richtigen Leute um sich geschart hat

Meiner Meinung nach findet Melisa Schwermer zurecht immer mehr begeisterte Leser. Sie leistet sehr gute Arbeit in den sozialen Medien und bewegt sich auf Augenhöhe mit ihren Followern.
Aber vor allem kann sie eines: gut schreiben.

Die Story von So bitter die Schuld ist spannend erzählt und wird fehlerfrei vorgetragen. Das Buch liest sich sehr flüssig, das Tempo stimmt. Eine tolle Entwicklung, die die Autorin da hinlegt!
Jedoch könnten die Charaktere in So bitter die Schuld ein klein wenig weniger klischeehaft sein. Einen Punkt Abzug gibt es von mir dafür, dass die Story sich nicht so recht entscheiden kann, ob sie Thriller oder Krimi sein will.
Das macht nach meiner Rechnung, aufgerundet aufgrund der steten Weiterentwicklung der Autorin in den vergangenen Jahren sowie des ehrlichen Herzbluts, das man dem Buch zu jeder Zeit voll anmerkt, sehr gute 4 von 5 Punkte.



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