Kurzgeschichte: Halloween


Halloween Kurzgeschichte von Constantin Dupien

Halloween-Kurzgeschichte

Liebe Freunde,

zum Reformationstag habe ich heute ein kleines Schmankerl für euch. Meine Halloween-Kurzgeschichte. Die wurde sogar vor wenigen Jahren einmal in einer Anthologie verlegt, leider existiert der Verlag nicht mehr. Ich wünsche euch einen süß-sauren Tag 🙂

Halloween

von Constantin Dupien

Das spärliche Licht der Glühbirne, die an einem einzelnen dünnen Kabel von der Decke herab hing, vermochte das große Kellergewölbe kaum auszuleuchten. Durch die geöffnete Tür drang ein kalter Windzug, der die provisorische Beleuchtung hin und her schaukeln ließ. Dabei warfen die spartanischen Holzregale unheimliche Schatten, welche Luke erschaudern ließen. Es nutzte nichts, er musste die letzten Stufen hinabsteigen, um nach der Kiste mit den Sachen seines Vaters suchen. Nacheinander pustete Luke dichte Staubschichten von den Pappkartons herunter, so dass deren Partikel munter im Schein des Glühbirnenlichtes tanzten. Bei der vierten Kiste wurde er schließlich fündig. „Papa“ stand in großen Druckbuchstaben darauf geschrieben. Mit seinem Schlüssel riss der komplett in schwarz gekleidete Jugendliche das Klebeband ab, das sorgfältig den Karton umwickelte, in dem die Überbleibsel aus dem Besitzes seines verstorben Vaters aufbewahrt waren. Mit sicherem Blick griff Luke nach einem kleinen, schwarzen Kasten. Ein Aufnahmegerät. Er nahm einen letzten tiefen Atemzug, dann begann er zu sprechen.

 

Hallo. Mein Name ist Luke Daywalker. Heute ist der 31. Oktober, Halloween. Sollte ich den gegenwärtigen Tag nicht überleben, soll diese Aufnahme für die Nachwelt darüber berichten, was heute Nacht in der Bakerlane vorgefallen ist. Dies ist meine Geschichte:

Meine Mutter, eine energisch auftretende Frau in den Wechseljahren, ist bei ihrer besten Freundin zu einer Feier eingeladen. Das Haus gehört also schon seit einigen Stunden mir ganz allein. Endlich einmal.

Entspannt saß ich am frühen Abend vor meinem Computer und zockte Wimmelbildspiele. Wildes Sturmklingeln an unserer Haustüre riss mich aus meiner Konzentration. Schon wieder diese Kinder, ging es mir durch den Kopf, als ich die Treppen vom ersten Stock hinabstieg, um nach dem Rechten zu sehen. Sobald die Nacht eingekehrt und der sonnige Herbsttag einer gruseligen Dunkelheit gewichen waren, hatte sich die hiesige Jugend zum ‚Erbeuten‘ von Süßigkeiten versammelt. Halloween eben.

Durch das milchige Glas der Eingangstür hindurch schimmerte der schemenhafte Umriss einer hochgewachsenen Gestalt. Merkwürdig, so groß kann doch eigentlich kein Kind sein, bemerkte ich verwundert. Dennoch öffnete ich die Tür, um meine Neugier zu befriedigen. Fiese Maskenkiller an Halloween treten schließlich nur in schlechten Filmen auf, oder?

Ein kalter Luftzug. Was war das? Nichts. Niemand. Mühsam versuchte ich, meinen nächtlichen Besucher in der Dunkelheit auszumachen, oder wenigstens überhaupt etwas anderes als schwarze Tristesse wahrnehmen zu können. Die Laterne, die sich vom Gehweg vor unserem Haus aus in die Höhe schälte, war seit ein paar Tagen defekt. Ich trat einige Schritte auf die Veranda hinaus. Nichts war zu erkennen, außer den Lichtern in den Zimmern der anderen Häuser sowie der fade Schein einer flackernden Laterne gut fünfzig Meter entfernt. Plötzlich vernahm ich im Busch neben mir ein Rascheln, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. Doch es war nur Wolvie, mein schwarzer Kater. Beruhigt atmete ich tief durch, sog die kalte Luft in mich ein.

Wolvie, die Halloween Katze
Wolvie? Ja, das ist er. Hat eigentlich nur am Rande mit der Geschichte zu tun, aber Cat Content geht immer!

Jemand wollte mir wohl einen Streich spielen. Aber wie konnte die Person so schnell wieder verschwunden sein, im Bruchteil einer Sekunde?

Achselzuckend kehrte ich in unser Haus zurück und schloss die Tür wieder. Vorsichtshalber drehte ich den Schlüssel zwei ganze Umdrehung um. Sicher ist sicher.

Mein lauter Schrei muss Tote geweckt haben, denn als ich mich umblickte, schaute ich geradewegs in die fiese Fratze eines Monstrums. Ich hatte nicht gleich realisieren können, dass der Einbrecher eine aus dünner Pappe hergestellte Gesichtsmaske eines Politikers trug, die mich so erschreckte.

„Boah, hast du Pappnase mich aber erschreckt!“, war meine erste Reaktion. „Was willst du von mir und wieso hast du dich hier einfach so hereingeschlichen? Hast mich fast zu Tode erschreckt.“

„Tod. Ich bin ein Zombiekiller. Gekommen, um dich zu assimilieren. Widerstand ist zwecklos.“ leierte mein Gegenüber mit monotoner Stimme runter, „Dein Tod ist alternativlos!“

Alternativlos. Das Unwort des Jahres 2010, sogleich im Januar Null-Elf dazu gewählt worden. „Sag mal hackt‘s?“, brüllte ich ihm schwer atmend entgegen.

Sein nächster Satz ließ mich erschaudern und das Blut in meinen Adern gefror: „Nein, alles i. O. Luke, ich bin deine Mutter.“

Mir fehlten beinahe die Worte. Konsterniert stand ich völlig regungslos vor meinem Gesprächspartner, meine Augen schossen Blitze. Endlich, nach einigen weltumrundenden Sekunden, erwiderte ich unverhohlen, mehr schreiend als sprechend:

„Bist du nicht! Niemals! Deine Mudda ist alternativlos!“

BAEM.

Mit einem lauten Knall explodierte der Kopf meines Widersachers und zahlreiche kleine Gehirnsplitter flogen umher, ein größeres Stück Glibbermasse prallte an meiner Brille ab. Nicht sehr viel Gehirn insgesamt, ehrlich gesagt. Da hatte wohl jemand nicht gerade viel Köpfchen. Höhöhö, lachte ich über meinen eigenen Witz.

Der restliche Körper des vermeintlichen Polit-Zombies sackte augenblicklich zu Boden. Ohne seinen Kopf würde ich nie herausfinden können, wer oder was mein Besucher tatsächlich gewesen war.

Augenblicke später erweckte lautes und gleichmäßiges Poltern meine Aufmerksamkeit. Es schien von draußen zu kommen, also stieg ich über die Reste des toten Körpers hinweg und drehte kurzentschlossen wieder den Schlüssel im Schloss. Dieses Mal andersherum. So, dass ich kurze Zeit später erneut auf der Veranda stand. Angestrengt kniff ich beide Augen zusammen und versuchte auszumachen, was das für ein schwarzes Etwas war, das sich zwar noch am anderen Ende der Bakerlane befand, sich aber mit rasanter Geschwindigkeit auf mich zubewegte. Auf dem Weg in Richtung meines Hauses wurde die geheimnisvolle Masse für den Bruchteil einer Sekunde vom flackernden Licht der Laterne erfasst. Zeit genug, um das Gebilde als einen Mob weiter Zombies mit Gruselface-Gedächtnis-Masken zu identifizieren. Genervt traf ich die einzig richtige Entscheidung: „Verdammte Axt, die Dinger müssen gekillt werden!“

Aber wie? Hatte tatsächlich mein Mutter-Spruch den ersten Untoten gemetzelt, der jetzt so friedlich im Flur ausblutete? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein, oder?

Es gab nur einen Weg, es herauszufinden. Schnellen Schrittes bewegte ich mich auf die Kellertür zu, riss diese mit einer kraftvollen Bewegung auf, und stürmte die Treppe hinunter. Mein Ziel war das alte Aufnahmegerät meines Vaters. Beweissicherung. Tja, und irgendwann kam ich dann in der Gegenwart an und spreche die eben gesagten Worte auf ein leeres Tonband.

 

Nun stehe ich hier, auf der Veranda unseres Hauses. Bewaffnet nur mit einem antiquierten Aufnahmegerät und meinem losen Mundwerk. Bereit für den finalen Kampf. Den letzten Showdown. Die Sprache ist meine Waffe, sie ist die Achillesverse des Untoten-Sturmtrupps. Der Zombiemob befindet sich nur noch wenige Meter von mit entfernt. Mit lautem Kampfgeschrei sprinte ich los, der dunklen Macht entgegen. Die Gegner zeigen sich emotionslos, reagieren nicht auf mein Gebärden. Wie bei einer Militärparade stolzieren sie unbeeindruckt im Gleichschritt weiter und erwidern meinen Kampfschrei mit ihrer, zugegebenermaßen äußerst griffigen Parole „Alternativlos. Alternativlos. Alternativlos.“

 

Ich befinde mich mitten im Schlachtfeld, weiche gekonnt den schwerfälligen Schlägen der Zombies aus. „Ich bin schneller als ihr“, brülle ich los. Naja, zumindest hoffe ich das.

„Eure Müdda sitzen bei KiK unter der Kasse und machen ‚Piep‘“.

BAEM.

Rings um mich explodieren mehrere Zombies. Diesmal jedoch nicht nur ihre Köpfe, sondern ganze Körper. Gedärme spritzen umher und tränken den Asphalt der Straße in ein blutiges Rot. Mit einem infernalischen Lachen verhöhne ich die Armee des Todes.

„Haha, ihr könnt mich alle mal. Ich mache euch fertig. Du da! Ja genau, du! Deine Mudda arbeitet auf ‘nem Fischkutter als Gestank.“

Wieder BAEM.

Die Reihen der Zombies lichten sich mit jedem weiteren Spruch. „Deine Mutter cheatet bei Tetris. Baem! Mit meinem eloquenten, sprachgewaltigen Wesen kämpfe ich mich erfolgreich durch die unzähligen Heerscharen. Gleich ist es vorbei, bin ich mir sicher. Die Schlacht scheint gewonnen. Nur noch ein paar Sätze mehr.

„Deine Mudda ist … Fuck, mir geh‘n Sprüche aus. Nein, ihr … ah … lasst mich in Ruhe. Ich … ich bin ja ganz friedlich. Wie wäre es mit einem Chuck-‘Fucking‘-Norris-Spruch? Chuck Norris kann Fische ertränken! Ich…“

Krrrhhh. Mit einem kurzen Rauschen verstummte die Aufnahme.

The End.


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