Tobias Bachmann im Gespräch


Wieso sollte man sich auf etwas spezialisieren, wenn die Vielseitigkeit das spezielle ist, was einen ausmacht?
Ich war noch nie ein Freund von Genredefinitonen. Auf meinen Manuskripten steht immer nur „Roman“ oder „Erzählung“, nie ein Genre.

Autor und Musiker Tobias Bachmann schreibt Horror, Phantastik, Thriller und Science-FictionTobias Bachmann wurde 1977 in Erlangen geboren und veröffentlicht seit 1998 Erzählungen, Novellen und Romane; unter anderem der gemeinsam mit Markus K. Korb verfasste Episoden-Roman “Das Arkham-Sanatorium” (2007, Atlantis Verlag) sowie der als bester deutschsprachige Horrorroman 2009 mit dem Vincent Preis ausgezeichnete Roman “Dagons Erben” (2009, Basilisk Verlag).

2011 gründete der gelernte Heilerziehungspfleger gemeinsam mit Florian Betz die Band Betz-Bachmann-Syndrom.

2014 eröffnet seine gemeinsam mit Markus K. Korb verfasste Kurzgeschichte ‚Das Zimmer in Venedig‘ die Anthologie Horror-Legionen 2 (Amrûn Verlag).

Homepage von Tobias Bachmann

Musik von Betz-Bachmann-Syndrom

 

CD: Lieber Tobias, vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten.

1998 ist dein erstes Buch erschienen – da warst du gerade 21 Jahre alt. Wann hast du mit dem Schreiben angefangen? Schon immer mit dem Ziel, auch zu veröffentlichen?

TB: Zeit ist zwar etwas, über dessen Magel ich stets klage, aber für einen kurzen Plausch zwischendurch nimmt man sich doch gerne etwas Zeit.

Ich habe schon in der Grundschule bemerkt, dass mich das geschriebene Wort begeistert und zwar nicht nur als Leser. Die Erlebnisaufsätze die man ab der dritten Klasse immer wieder mal schreiben musste, waren damals schon so fantasiereich, dass meine Eltern sich vor den Lehrern rechtfertigen mussten. Sie wurden in die Schule gebeten, da ich zum Thema „Ein spannendes Ferienerlebnis“ irgendetwas darüber geschrieben hatte, wie sich meine Eltern wegen eines explodierten Toasters prügelten, so dass die Polizei kommen musste. Dergleichen ist natürlich nie in Wirklichkeit passiert. Aber es zeugt von der Fantasie eines Neunjährigen, der als Konsequenz fortan unter all seine Aufsätze schreiben musste: „Dies ist ein reiner Fantasieaufsatz.“
Also habe ich weitergeschrieben. Mal mit mehr, mal mit weniger Enthusiasmus. Recht früh begann ich die elektrische Schreibmaschine meiner Eltern zu malträtieren, bis diese – entsprechend der Qualität meiner Texte – nur noch ein Haufen Schrott war. Von meinem Taschengeld kaufte ich mir alsbald eine eigene Schreibmaschine, bis ich auch diese zu Tode geschrieben hatte und mir schließlich meinen ersten PC anschaffte. Eines der letzten Werke, das auf der Schreibmaschine entstand, war 1997 das Manuskript zu STEINE, das als meine erste offizielle Veröffentlichung überhaupt 1998 in Jörg Kleudgens GOBLIN PRESS erschien. Ich sage offiziell, weil im Vorfeld natürlich einiges in Schülerzeitungen u.ä. erschien, was mir immerhin die herbe Kritik meines Deutschlehrers zukommen ließ.
Das Ziel, zu veröffentlichen, habe ich in dem Sinne nie gefasst. Es war für mich immer eine gewisse Form der Selbstverständlichkeit. Frei nach dem Motto: Ist doch logisch, dass man etwas Geschriebenes auch veröffentlicht. Bewusst darüber nachgedacht habe ich zumindest nie.

Seit einigen Jahren machst du gemeinsam mit Florian Betz Musik (Betz-Bachmann-Syndrom). Siehst du Berührungspunkte zwischen deinem Schaffen als Autor und als Musiker?

Ich glaube an die perfekte Symbiose der verschiedensten Künste, das heißt: Musik, Literatur und Darstellende Kunst. Ich behaupte mal, dass dies die drei Säulen unseres Kulturverständnisses sind. Säulen werden gebaut, damit sie ein Dach tragen und dieses Dach verbindet die Säulen miteinander. Von daher ist es mein Bestreben, Musik, Literatur und darstellende Kunst miteinander in Einklang zu bringen. Ich würde es mal als mein künstlerisches Lebensziel bezeichnen. Ob ich es jemals schaffen werde, dies in meinem Sinne zu erreichen, sei einmal dahingestellt. Aber man sagt ja auch immer, dass der Weg das Ziel sei.
Das Betz-Bachmann-Syndrom verbindet nun Musik und Literatur dahingehend, dass atmosphärische Klangcollagen einen literarischen Text aufgreifen, der sich inhaltlich mit den Abseitigkeiten des Lebens beschäftigt. Fragt man mich nach Genredefinitionen, so würde ich behaupten, dass hier Neoklassik auf die so genannte Neue Deutsche Todeskunst trifft. Das klingt zunächst recht abstrakt, macht aber Spaß.
Unser Debüt-Album, ‚Der Ruf des Nachtmahrs‘, das letztes Jahr erschien, ist ein Konzeptalbum, dass eine übergreifende Handlung erzählt, die die einzelnen Stücke miteinander verbindet. Die Handlung wird wahrhaftig erzählt, das heißt, von mir in sonorer Stimme vorgetragen. Die Erzählung selbst ist recht reduziert, die Atmosphäre und Stimmung der jeweiligen Szene wird durch die Musik erschaffen.
Live haben wir dieses Erzählen und Verbinden der einzelnen Stücke auch drauf, jedoch in einem anderen Rahmen. Wir wollen den Hörer verzaubern. Ihn ein wenig hypnotisieren. Ihn in ein Paralleluniversum entführen. Zum Abtanzen und Feiern ist das freilich nichts, aber doch ein vollgepacktes Unterhaltungsprogramm, dass wir gerne einmal abendfüllend präsentieren würden.
Unser erstes Konzert gaben wir übrigens auf einer Künstlervernissage, was zumindest in die Nähe meines ursprünglichen Gedankens führt, der Symbiose aus den drei Säulen der Kunst. Vielleicht wird ja eines Tages was draus.

„Bafruß über Glas“ ist dein erster Beitrag für die ‚Mängelexemplare‘. Hand auf Herz: Vorher schon mal davon gehört?

Die Reihe Mängelexemplare war mir ein Begriff, ich besaß die Bücher aber nicht. Die ersten beiden Bände habe ich dann als „Überredungskunst“ erhalten, weil ich für eine Teilnahme eigentlich gar keine Zeit aufbringen konnte und wollte. Dann habe ich die zwei Bücher in der Hand gehalten, reingelesen, quergelesen, die Illustrationen bewundert und begann bereits zu überlegen, wo ich mir Zeit für einen Text freischaufeln könnte. Als dann auch noch mein geschätzter Kollege Vincent Voss drohte, mich zu verspeisen, sollte ich eine Teilnahme verweigern, sagte ich zu. Ich will ihm ja nicht den Magen verderben.

Du bewegst dich künstlerisch zwischen vielerelei Genres, sei es Science Fiction, Horror/Phantastik oder Kriminalliteratur. Wirst du dich in Zukunft weiter spezialisieren oder vielmehr noch ganz andere Wege einschlagen?

Wieso sollte man sich auf etwas spezialisieren, wenn die Vielseitigkeit das spezielle ist, was einen ausmacht?
Ich war noch nie ein Freund von Genredefinitonen. Auf meinen Manuskripten steht immer nur „Roman“ oder „Erzählung“, nie ein Genre. Aber eine Genredefiniton ist natürlich wichtig, sei es aus Marketinggründen oder warum auch immer. Fakt ist: dass ich mich keinem Genre verschließe. Im Gegenteil: Mein Plan ist es, mich zunehmend weiter zu öffnen. So habe ich vor kurzem erst mit ‚Sukkubus‘ einen Erotik-Thriller veröffentlicht. Reizen würde mich mal eine Art Road-Movie (kann man bei Romanen von einem Movie sprechen?). Einzig an den Historischen Roman traue ich mich nicht so recht ran, weil ich die umfangreiche Recherche scheue. Außerdem schlummert in meinem Hinterkopf noch ein Mainstream-Roman, so ganz genrelos …

Ich emfand deine Erzählung als sehr kryptisch. Sehr anspruchsvoll und definitiv kein kleiner Happen für Zwischendurch. Welche Idee steckt hinter „Barfuß über Glas“?

Ich habe mir überlegt, wie es einem Menschen ergeht, der einem Dämon – ich stelle mir bei der Geschichte einen Sukkubus vor – erliegt, der so in dessen Bann gefangen ist und unter seiner Macht steht, dass er kaum noch zu eigenständigem Handeln fähig ist. Aber wenn das so ist, kann er dann sein Leben als solches überhaupt begreifen? Erkennt er sein Ich? Oder gibt es nur wenige, klare Momente und zwar dann, wenn der Bann des Dämons ein wenig nachlässt, die Schlinge um den Hals etwas gelockert wird?
Eine klassische Erzählform kam mir dafür unpassend vor, weswegen ich mich dafür entschieden habe, nur das kurze Auflodern einzelner Gedanken in Worte zu fassen. Daher werden nur die Wahrnehmungsfetzen des Protagonisten aufgezeigt. Kryptische Fragmente in denen der Wille oder das Bestreben aufblitzt, aus der Situation auszubrechen. Gleichzeitig die völlige Hingabe dem Dämon gegenüber. Ein unerfülltes Begehren, das dem Gedanken an Flucht im Weg steht.
In Zeiten der einfachen Sätze, der kurzen und knappen Erzählweise, der Popcorn-Literatur kann ein bischen Anspruch aber auch belebend wirken, wie ich finde. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob die Leser damit klarkommen oder die Geschichte in der Luft zerfetzen.

Vor siebzehn Jahren die erste Veröffentlichung, was macht Tobias Bachmann 2032?

Warte mal, da bin ich dann schon 55 … oh mein Gott.
Tja, was mache ich dann? Die Kinder werden dann wohl schon aus dem Haus sein und ich werde mit meiner Frau ein Leben in glückseliger Harmonie führen (nicht dass wir das jetzt nicht bereits führen würden, aber es verspricht doch ein wenig entspannter zu werden …).
Vielleicht bin ich bis dahin nicht mehr auf den Broterwerb angewiesen und kann mich somit noch intensiver mit meinen Projekten auseinandersetzen. Es gibt da ja ein paar Ideen, die sind so umfangreich, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mal daran denken brauche, sie jemals umsetzen zu können, einfach weil sie völlige Hingabe und totale Aufmerksamkeit benötigen würden. Aber 2032 könnte was daraus werden.
Vielleicht sollten wir jetzt bereits einen Termin festlegen, um in 17 Jahren zu gucken, was daraus geworden ist. Schlag ruhig einen Termin vor. Moment, ich sehe mal in meinem Kalender nach … Ah ja, doch. Noch habe ich da Zeit 😉

Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten!


Eine Antwort zu “Tobias Bachmann im Gespräch”

  1. […] Dafür hat es der Inhalt wahrlich in sich. Aus meiner Feder stammt die Erzählung “Barfuß über Glas”, die für meine Verhältnisse recht kurz geraten aber dafür sehr atmosphärisch dicht und auch ein wenig experimentell ist, was die Erzählweise und stilistische Raffinessen angeht. Vielleicht war dies der Grund, dass der Herausgeber mit mir ein Interview geführt hat, wo ich nicht nur über die Story spreche. Dieses ist auf Dupiens Internetseite zu finden, und zwar hier: http://www.constantin-dupien.de/tobias-bachmann-im-gespraech/ […]

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